Rückfall Alkohol: Ursachen, Risiken und Chancen erkennen
Eine Alkoholsucht zu überwinden, ist aufgrund des Suchtgedächtnisses gewissermaßen eine lebenslange Aufgabe. Ohne eine entsprechende Therapie sowie die Unterstützung durch Familienangehörige und Selbsthilfegruppen schaffen es die meisten Alkoholiker nicht, ihre Krankheit unter Kontrolle zu bringen. Doch auch wenn ein engmaschiges Netz aus Notfallplänen und -strategien existiert, kann es nach einem erfolgreich abgeschlossenen Alkoholentzug jederzeit zu einem Alkohol-Rückfall kommen. Selbst Menschen, die jahrelang abstinent leben, sind davor nicht gefeit. Umso wichtiger ist es, den Rückfall entsprechend zu bewerten und therapeutisch aufzuarbeiten und das Rezidiv nicht auf eine vermeintlich missglückte Therapie schieben. Wer die Ursachen und Risiken eines solchen Rückfalls erkennt und hieraus die richtigen Schlüsse zieht, lernt auf kritische Situationen angemessen zu reagieren. Das schützt vor weiteren Ausrutschern und hilft sogar, die eigene Abstinenz langfristig zu stabilisieren.
Motivation als Voraussetzung für ein abstinentes Leben
Obwohl Rückfälle bei einer Alkoholsucht üblich sind und im Leben eines Suchtkranken durchaus mehrfach auftreten können, sind sie bei einigen Alkoholkranken häufiger vertreten als bei anderen. Ausschlaggebend für eine solche Unterscheidung ist die sogenannte Abstinenzmotivation. So haben Alkoholkranke die besten Aussichten auf eine langfristige Abstinenz, wenn sie ihr Alkoholproblem nicht verleugnen und aus eigenem Antrieb einen Entzug absolvieren. Hier möchten die Betroffenen unter allen Umständen ohne das Suchtmittel zurechtkommen und ein selbstbestimmtes Leben mit einem gesicherten Arbeitsplatz und erfüllenden sozialen Kontakten führen.
Personen, die ihren Alkoholkonsum bagatellisieren, die Alkoholtherapie ausschließlich auf Wunsch der Angehörigen anstreben oder den Entzug machen, um ihren Arbeitsplatz zu behalten, haben ein deutlich höheres Rückfallrisiko. Oftmals wissen sie bereits vor dem Beginn der Entzugsbehandlung, dass sie nach dem stationären Aufenthalt und der Beendigung des „Pflichtprogramms“ erneut trinken werden und verschenken damit Lebensqualität und Lebensdauer. Genau aus diesem Grund ist es für uns als Klinik so wichtig, dass unsere Patienten sich bewusst ihrer Krankheit stellen und sich aus eigenem Wunsch für einen Entzug in unserem Hause entscheiden.
Was ist ein Alkohol-Rückfall?
Wann genau man bei Alkoholikern von einem Rückfall spricht, ist eine Frage der Definition. Sehr viele Experten verwenden eine sehr enge Rückfalldefinition, bei der jeder konsumierte Tropfen Alkohol als Rückfall eingestuft wird.
Was ist ein trockener Rückfall?
Der trockene Rückfall Alkohol zeichnet sich dadurch aus, dass genau genommen gar kein Alkohol konsumiert wird. Stattdessen fällt der ehemalige Suchtkranke in alte Verhaltensweisen und -muster zurück, indem er beispielsweise ehemalige Trinkkumpane besucht oder in seine Stammkneipe einkehrt. Auch altbekannte emotional-psychische Muster wie Gefühlsschwankungen, Großspurigkeit und Sprunghaftigkeit treten gehäuft auf. All dies sind Alarmsignale, die nicht ignoriert werden sollten. Denn sie können nicht nur einen kleinen Ausrutscher, sondern ebenso einen schwerwiegenden Rückfall nach sich ziehen.
Was ist ein Fehltritt (lapse)?
Ein Fehltritt oder Ausrutscher wird von manchen als einmaliger Vorfall definiert. Ein trockener Alkoholiker, der eine Flasche Bier oder ein Glas Wein trinkt, sein Verhalten anschließend aber reflektiert, korrekt bewertet und sofort wieder zur Abstinenz zurückkehrt, begeht einen solchen Fehltritt. Wie oben bereits erwähnt, proklamieren allerdings sehr viele Suchtexperten jeden Tropfen als Rückfall und nicht als Ausrutscher. Das Wort Ausrutscher könnte nämlich wiederum als Bagatellisierung verstanden werden.
Was ist ein schwerer Rückfall (relapse)?
Bei einem schweren Rückfall Alkohol verfallen die Betroffenen mit sofortiger Wirkung zurück in dieselben Muster, die sie vor der Abstinenz an den Tag legten. Dies betrifft sowohl die Menge und Dauer als auch die Frequenz des Alkoholkonsums.
Was ist ein schleichender Rückfall?
Alkoholiker, die glauben ihre Sucht überwunden zu haben, meinen häufig zu kontrolliertem Trinken fähig zu sein. Gelingt ihnen dies zunächst noch recht gut, weiten sich allmählich jedoch wieder altbekannte Verhaltensmuster aus. Entzugserscheinungen manifestieren sich und Trinkdauer, -frequenz und -menge steigen stetig an.
Was ist die Gefahr bei einem Rückfall in den Alkohol?
Unabhängig davon, wie ein ehemaliger Alkoholkranker rückfällig geworden ist – was alle Betroffenen gemeinsam haben, ist das Gefühl der Scham und des Versagens. Wenn ihnen bewusst wird, dass sie bei der Bewältigung der Krankheit eine weitere Runde verloren haben, geben viele Patienten Mut und Hoffnung auf. Typische Gedankengänge sind in diesem Fall:
- Ich bin eben einfach ein Versager.
- Jetzt ist mir alles egal.
- Was habe ich auch anderes erwartet?
- Natürlich bin ich wieder einmal gescheitert.
Derartige Gedankenspiralen führen zur Selbstaufgabe. Anstatt gegen die Alkoholkrankheit anzukämpfen, wird der vermeintlich einfachere Weg gewählt. Kummer und Frust werden mit Alkohol betäubt bzw. darin ertränkt – genauso, wie es bereits vor der Abstinenz geschehen ist. Tatsächlich müssen Abhängige, die rückfällig geworden sind, nicht zwangsläufig wieder komplett abrutschen. Wer sein fehlgeleitetes Verhalten erkennt und angemessen reagiert, kann aus dem Zwischenfall lernen.
Wie hoch ist bei Alkoholikern die Rückfallquote?
Der Erfahrung nach haben viele Alkoholabhängige auch während ihrer Abstinenz immer wieder mit Situationen zu tun, in denen die Versuchung Alkohol zu konsumieren groß ist. Nicht jeder gibt dieser Verführung nach, doch insgesamt ist bei Alkoholikern die Rückfallquote recht hoch. Schätzungen zufolge sind 70 bis 90 Prozent der Menschen, die ihre Alkoholkrankheit überwinden wollen, betroffen. Die hohe Rückfallquote bei Alkoholikern ist entsprechend nicht nur mehr Regel als Ausnahme, sondern zudem ein wesentlicher Bestandteil der Krankheit sowie des Genesungsprozesses. Umso entscheidender ist es, dass Alkoholabhängige stark bleiben, die Warnsignale von Körper und Psyche rechtzeitig erkennen und den passenden Notfallplan griffbereit haben. So können sie das Risiko minimieren und sich auch nach einem aufgetretenen Zwischenfall schnell wieder aufraffen. Ein besonders hohes Rückfallrisiko gilt übriges im ersten Jahr nach dem Alkoholentzug.